Gemeinsame Erklärung der unabhängigen Institutionen Fanprojekt Mainz e.V. und Supporters Mainz e.V. zu den Hausdurchsuchungen im Oktober 2018

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

mit Überraschung und Irritation haben wir die Hausdurchsuchungen bei mehreren Mitgliedern der Mainzer Fanszene zur Kenntnis genommen.
Hausdurchsuchungen stellen ohne jeden Zweifel einen schweren Eingriff in die Grundrechte und die Lebensbereiche der betroffenen Personen dar. Im schlimmsten Fall wirken solche Maßnahmen sogar existenzbedrohend, da Reaktionen von Arbeitgeber*innen und/oder Vermieter*innen nicht vorhersehbar sind, jedoch trotzdem offensichtlich von der Polizei in Kauf genommen werden.
Eine rechtliche Beurteilung der Notwendigkeit, Rechtmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit der durchgeführten Maßnahmen obliegt ausschließlich den Gerichten im Rahmen der voraussichtlich folgenden Verfahren.

 

Supporters Mainz e.V.

 

Die Supporters Mainz e.V., als unabhängige Fanvertretung mit zahlreichen Mitgliedern aus allen Fanlagern ergänzen hierzu: Wir stehen für einen offenen und kritischen Dialog mit Fans und Polizei. Dafür werben wir bei unseren Mitgliedern, auch wenn teilweise Vorbehalte vorhanden sind. Deshalb sehen wir die verschiedenen Plattformen zum Austausch mit Polizeivertreter*innen, wie z.B. dem 05er Fandialog als sinnvoll und wertbringend an. Hier wurde stets der etwas andere „Mainzer Weg“ gelobt und viele Themen konnten Fans und Polizei dort gemeinsam lösen und angehen. Dies wurde von uns gegenüber unseren Mitgliedern, als auch seitens Mainz 05 öffentlich dargestellt. „Wir müssen uns zu diesem Zeitpunkt aber auch fragen, ob diese Plattformen weiterhin eine belastbare Basis bilden, wenn die polizeiliche Taktik, wie am vergangenen Dienstag, jetzt verstärkt auf Repression setzt“ sagt Sebastian Schneider (Vorsitzender Supporters Mainz e.V.) Aus neutraler Sicht ist zudem in Frage zu stellen, ob entsprechend der beschriebenen Vorfälle die Wahl der Mittel durch die Behörden verhältnismäßig war, oder ob hier Personen, mit nicht abzuschätzenden Folgen, übermäßig kriminalisiert werden. Besuche am Arbeitsplatz, wie im konkreten Zusammenhang geschehen, sind für den Einzelnen möglicherweise existenzgefährdend.

 

Zudem nehmen wir seit Saisonbeginn bei den Spielen des 1.FSV Mainz ebenfalls eine erhöhte Polizeipräsenz hinter der Stehplatztribüne wahr. Dies führt zu Irritationen bei vielen Fans, die sich fragen, ob dort jetzt ein besonderes Gefahrenpotenzial herrscht (oder konstruiert wird). Viele Stadionbesucher haben uns deshalb bei den vergangen Heimspielen gezielt darauf angesprochen und deutlich gemacht, dass dies nicht zu ihrem Verständnis eines Stadionbesuchs passt.

 

Wir möchten hiermit alle Parteien dazu aufrufen, die Konsequenzen ihres Handelns zu hinterfragen und sich auf den Weg des Dialogs zurückzubegeben.

 

Fanprojekt Mainz e.V.

 

Die rechtliche Beurteilung der Hausdurchsuchungen ist nicht die Aufgabe eines sozialpädagogischen Fanprojektes. Unser staatlicher Auftrag ist die Betreuung und Unterstützung jugendlicher und erwachsener Fußballfans im Alter von 14-27 Jahren bei allen denkbaren Herausforderungen des Erwachsenwerdens.
Wir befürchten, dass durch die Hausdurchsuchungen eine Eskalationsspirale weiter gedreht wird, die zwischen Fans/Ultras auf der einen Seite und Polizei auf der anderen Seite bereits im Gange ist. Gegenseitige Feindbilder können sich so weiter verfestigen und werden dadurch internalisiert. Unsere Aufgabe als Vermittler*innen zu agieren wird somit nicht nur deutlich erschwert, sondern durch die Betroffenen als illegitim wahrgenommen.

 

Durch unsere bundesweiten Netzwerkpartner sehen wir an vielen anderen Standorten des Profifußballs, wohin dies führen kann. Oft begegnet uns im kollegialen Austausch die Einschätzung, dass Mainz ein „Vorzeigestandort“ sei in Bezug auf Austausch mit der Polizei und dem polizeilichen Agieren im Allgemeinen. „Wir befürchten, dass vieles, was in Mainz durch lange Jahre des Dialogs erfolgreich in Gang gesetzt wurde, dadurch gefährdet werden könnte und ein Dialog unmöglich wird“ sagt Matthias Schöffel (stellv. Projektleiter Fanprojekt Mainz). Dies würde vor allem jene Institutionen treffen, die sich um einen konstruktiven Dialog zwischen allen Netzwerkpartnern im Rahmen von Fußballspielen bemühen. Die Erfahrungen mit dem Hooliganismus der 1980er und 90er Jahre und auch der Umgang mit anderen Subkulturen zeigen, dass eine Konzentration auf Repression die Herausforderungen nicht bewältigen kann. Vielmehr muss festgestellt werden, dass die Steigerung von Repression lediglich weiteranhaltende und neue Herausforderungen schafft. Diese Dynamiken von Eskalation gilt es bereits im Ansatz zu erkennen und dem entgegenzutreten. Dazu wollen wir in fachlicher Parteilichkeit zu den Adressat*innen unserer Arbeit alle handelnden Personen ermutigen. Aus dieser Perspektive heraus sind wir für einen vertrauensvollen, kontroversen aber dringend konstruktiven Austausch jederzeit offen.

 

In unserer Bewertung der Situation erkennen wir natürlich grundsätzlich an, dass Straftaten im Zusammenhang mit Fußballspielen vorkommen und dementsprechend verfolgt werden.
Dennoch ist es wichtig, Fans nicht ausschließlich als Sicherheitsrisiko und Gefährder*innen wahrzunehmen und zu beschreiben.

 

Hierzu braucht es vielfältige Perspektiven, die mehr darstellen können, als es der konzentrierte Blick der Polizei auf die Verfolgung von Straftaten vermag. Hier sehen wir innerhalb des öffentlichen Diskurses, sowie innerhalb von Institutionen, strukturelle Probleme und Fallstricke angelegt. Zusammen und im Dialog kann so einer fortschreitenden Kriminalisierung entgegen gewirkt werden.

 

Unsere Aufgabe ist es aus einer fachlichen Perspektive, den Menschen immer in seiner Ganzheit mit all seinen Stärken und Schwächen in den Mittelpunkt zu setzen. Ein Unterteilen in gute und schlechte Fans ist unserer Meinung nach nicht möglich, da die meisten Fans „gute“ und „schlechte“ Eigenschaften in sich vereinen, so wie dies bei allen Menschen der Fall ist.

 

Fanprojekt Mainz e.V. & Supporters Mainz e.V. im Oktober 2018

PDF-Version:181011 Hausdurchsuchungen Oktober 2018

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